Kristina Wittkamp

Studium
- Bachelor-of-Arts-Studium der Geschichte und Ostslavistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2006-2009)
- Master-of-Arts-Studium der Vergleichenden Geschichte der Neuzeit mit Schwerpunkt Osteuropäische Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2009-2012)
Promotionsstudium in der Osteuropäischen Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2012 bis voraussichtlich Mitte 2019)
Beruflicher Werdegang
- Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Neuere und Osteuropäische Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2010-2013)
- Fremdsprachenassistentin am Sekretariat des Lehrstuhls für Neuere und Osteuropäische Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2013)
- Koordinatorin des DFG-Graduiertenkollegs 1288 „Freunde, Gönner und Getreue“an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau (2014)
- Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt „Radio Majak – soziale Differenzierung und Identitätsstiftung durch Radio in der sowjetischen nachstalinistischen Gesellschaft, 1964-1991“ (2014-2017)
- Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte Osteuropas und seiner Kulturen an der Universität Passau (seit 01/2019)
Forschungsprojekt
Das aktuell noch nicht abgeschlossene Dissertationsprojekt
Radio „Majak“ – Identitätsstiftung und soziale Differenzierung durch Radio in der sowjetischen nachstalinistischen Gesellschaft, 1964-1991
Der 1964 gegründete Radiosender Majak hatte in der Sowjetunion eine besondere Stellung. Als Musik- und Informationsprogramm (Muzykal'no-informacionnaja programma), das durch kurze Nachrichtenblöcke und längere Musikblöcke strukturiert wurde, bot Majak bisher in der Sowjetunion ungekannte Aktualität. Gleichzeitig stiftete der Sender durch seine Erkennungsmelodie Podmoskovnye večera Identifikation und hatte einen enormen Wiedererkennungswert.
Das Projekt beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Majak in der sowjetischen Gesellschaft zukam. Verbunden damit sind Fragen nach Wechselwirkungen zwischen Medien und der Gesellschaft sowie nach Interaktionen zwischen Regime, Medienmachern und Publikum. Daraus ergeben sich die drei Hauptfragen des Projekts nach den Funktionen des Radiosenders Majak im Brežnevschen System, seinem Konzept und dessen Erfolg.
1. Welche Funktionen hatte Majak im Brežnevschen System?
Radio Majak war als sowjetisches Gegenangebot gegenüber den westlichen Sendern konzipiert, die in die Sowjetunion ausstrahlten, und damit ein Bestandteil der Radio Battles des Kalten Krieges. Im Rahmen dieser Konkurrenz entwickelte Majak seine eigene, spezifische Sendestruktur. Um eine komplexer gewordene Gesellschaft anzusprechen, finden sich daher generationen-, geschlechts- und milieuspezifische Sendungen, die primär der Unterhaltung und Information dienten. Untersucht werden Freiräume und Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft, Radio und Regime.
2. Wie sah das Radiokonzept und seine Umsetzung aus?
Die Interaktion zwischen Publikum und Medienmachern sowie zwischen Medienmachern und Regime kann anhand von Handlungsspielräumen bei der Sendungsgestaltung, über (normative) Vorgaben und Kontrollmechanismen seitens der übergeordneten Behörde Gosteleradio untersucht werden. Neben Zeitschriften als fachliche Diskussionsforen der Radiomacher geben besonders Memoiren und Erinnerungen Einblick in die persönlichen Handlungsspielräume der Radiomacher und ihrer Verhältnisse zu Gosteleradio.
Weitere Untersuchungsgegenstände sind der Aufbau des Senders und das Programmangebot. Analysiert wird anhand ausgewählter Informations- und Unterhaltungssendungen der Programmaufbau, der Moderationsstil und die Perspektive der Informationsvermittlung.
3. Wie erfolgreich war das Konzept?
Mit der Frage nach Erfolg und Wirkungen ist eine Identifizierung und Charakterisierung der Rezipienten verbunden. Dafür bietet sich die Untersuchung von Hörerwünschen und Leserbriefen an. Aufschluss darüber geben auch einerseits westliche soziologische Studien über die sowjetische Gesellschaft der 1970er und 1980er Jahre und andererseits innersowjetische soziologische Studien jener Zeit. Weiterhin kann hier mit dem Konzept der Lebenswelt als soziale Wirklichkeit und dem Alltagserleben gearbeitet werden. Inspiriert durch den „Emotional Turn“ wird nach der Vermittlung von Emotionen, ihrer Neudefinierung durch Medien und den Wechselwirkungen zwischen Emotionen und Medien gefragt. Die Historizität des Gefühls und deren kulturellen Praktiken kann man in Medien spezifisch untersuchen, denn Radio liegt im Spannungsverhältnis zwischen öffentlich zugänglichem und privatem individuell-emotionalem Raum. Gleichzeitig können die Wirkung der Sendungen, aber auch die Publikumserwartungen, die alltägliche Bedeutung und Routine des Radiohörens über Hörerbriefe und qualitative Oral History-Interviews bestimmt werden.
Das geplante Folgeprojekt
Die Westkontakte der Kiever Rus' zwischen 838 und 1237
Das hier skizzierte Forschungsprojekt untersucht die Beziehungen der Kiever Rus' mit dem Frankenreich, insbesondere dem ostfränkischem Herrschaftsgebiet, mit Byzanz und mit Skandinavien. Dabei liegt der Schwerpunkt auf die Untersuchung der gegenseitigen Wahrnehmung. Diese gegenseitige Wahrnehmung wird anhand von Handelsverbindungen und -verträgen (z.B. mit Byzanz)1, Heiratsbeziehungen der Rjurikiden zu anderen (europäischen) Herrscherhäusern (v.a. Byzanz, aber auch Kapetinger und einige ostfränkische Häuser) und Gesandtschaften der Rus' und in die Rus' (dabei spielen Aspekte der Christianisierung eine wichtige Rolle) beleuchtet. Auch territoriale Konflikte mit dem Frankenreich, Byzanz, Polen und Tschechien werden eine Rolle spielen. Konflikte mit den Steppenvölkern und später insbesondere mit den Mongolen werden in der Arbeit hingegen weniger in den Blick genommen, da es in dem Projekt primär um eine „Westausrichtung“ der Rus' geht.
Das Projekt behandelt die Ereignisse zwischen dem 8./9. und dem 13. Jahrhundert. Einer der Ausgangspunkte ist das Erscheinen einer Gesandtschaft der Rus' 838/839 am Hof Ludwigs des Frommen in Ingelheim. Als Endpunkt wird die Zeit der territorialen Aufsplitterung der Rus' ab dem 13. Jahrhundert gewählt.
Die im Fokus stehende gegenseitige Wahrnehmung soll nicht nur begriffsgeschichtlich oder über faktenzentrierte Chronologie erfasst werden. Stattdessen stehen die Narrative in den jeweiligen Quellen im Mittelpunkt. Denn die Episoden, die genauer beleuchtet werden sollen, sind häufig in ganze Erzählungen eingebunden, unterliegen narrativen Strukturen und beinhalten rhetorische Figuren. Als Quelle wird von russischsprachiger/altrussischer Seite die Povest' vremennych let in ihren verschiedenen Schreibtraditionen untersucht.4 Hinzu kommen erzählende Quellen, wie z.B. Slovo o polku Igoreve. Auf lateinischer Seite gibt es eine ganze Reihe von Chroniken, in denen sich einige Episoden über die Kontakte zur Rus' finden lassen (bspw. Ann. Bertiniani, Ann. Quedlinburgenses etc.). Von skandinavischer Seite sind Sagas vorhanden, die bis jetzt auf diese Aspekte hin noch nicht ausreichend untersucht wurden. Es gibt arabischsprachige Reiseberichte, die teilweise untersucht und sogar populärkulturell verarbeitet wurden. Von byzantinischer Seite liegen Chroniken vor, die noch einer genaueren Sichtung für das Thema bedürfen.
Die Episoden, die in diesem Projekt genauer untersucht werden, sind in der zur Kiever Rus' bekannten Forschungsliteratur erwähnt, aber meist beiläufig und eher chronologisch-faktisch zitiert worden. Der erzählerische Kontext wird meist ausgeblendet, wodurch Teile des Inhalts, der zeitgenössischen Interpretation und auch von den Fakten verloren gehen. Der dezidierte Fokus auf den Kontext der Episoden stellt das Innovative und den Erkenntnisgewinn dieses Projekts dar. Denn über diese Herangehensweise kann gezeigt werden, dass die Kiever Rus' ein fester Bestandteil des europäischen Mittelalters war und als Akteur wahrgenommen und beteiligt wurde. Dabei spielen sowohl Aspekte des kulturell Fremden, aber noch mehr Aspekte des kulturell Bekannten eine Rolle, denn die Waräger waren ja nicht die einzigen Wikinger in Europa. In dem Projekt wird zunächst danach gefragt, wie die entsprechenden Episoden konkret ausgestaltet sind und was darin geschildert wird. Danach wird untersucht, welche zeitgenössische Funktion diese Aussagen gehabt haben könnten. Zuletzt werden die Folgen dieser Aussagen begutachtet, wie sie interpretiert werden können und welche Formen der Erinnerungspolitik daraus konstruiert und aktuell gezogen werden. Damit soll das Projekt zu der gegenwärtigen Geschichts- und Erinnerungspolitik der Russländischen Föderation in Beziehung gesetzt werden. Die in den letzten Jahren entstandenen Publikationen zur Kiever Rus' sind in einem Duktus geschrieben, der retrospektiv Russlands Großmachtstatus festlegen soll. Dabei spielt verstärkt das russisch-nationale Motiv eine Rolle, wird der früher bereits verbreitete Antinormannismus erneut herangezogen, um die Rus' als ethnisch genuin russischen Staat darzustellen. In der Öffentlichkeit wird dieses Geschichtsbild über die Errichtung zahlreicher Denkmäler für rus'ische Herrscher zementiert: In diesem Zusammenhang ist insbesondere das Denkmal für Vladimir den Heiligen zu nennen, das vor kurzem in zentraler, kreml'naher Lage in Moskau aufgestellt wurde. Dies hängt sicher auch mit dem tausendjährigen Herrschaftsjubiläum von Vladimir dem Heiligen im Jahr 2015 (1015) zusammen. Vor ein paar Jahren wurde zudem in Pskov ein weiteres Denkmal für die Fürstin Ol'ga errichtet, obgleich dort bereits ein zweites älteres, schätzungsweise aus den 1970er Jahren, existiert. Viele für die Rus' bedeutende Orte sind in den letzten Jahren intensiver archäologisch ausgewertet und rekonstruiert worden, dazu zählt beispielsweise die Festungsanlage in Izborsk. Unter Rückgriff auf neueste Forschungen zur Populärgeschichte des Mittelalters soll das Projekt die populärkulturelle und politische Inanspruchnahme historischer Persönlichkeiten und baulicher Überreste der Rus' mit der zeitgenössischen Wahrnehmung und Instrumentalisierung im modernen Russland kontrastieren.
Publikationen
noch unter dem Familiennamen Offterdinger veröffentlicht:
- Rez. zu: Russia in the Microphone Age: A History of Soviet Radio, 1919-1970. By Stephen Lovell. Oxford University Press. 2015, in: History. The Journal of the Historical Association, Heft 101.348 (2016), S. 804-806.
- „Stadt, die den Tod bezwang“ - Leningrad als Heldenstadt in der medialen Vermittlung durch Reiseführer, in: helden. heroes. héros. E-Journal zu Kulturen des Heroischen, Heft 2.2 (2014), S. 107-118.
- Radio „Majak“ - Identitätsbildung und soziale Differenzierung durch Radio in der nachstalinistischen Gesellschaft, 1964-1991, in: Rundfunk und Geschichte, Heft 3-4 (2013), S. 94-95.
- Programmnyj paket „Citavi“ i ego ispol’zovanie v proekte, in: Belozerov, V./Meškov, D/Nojtatc, D./Poljan, P. (Hg.): Migracii i prostranstvennaja mobil’nost’ v sel’sko-gorodskom kontinuume Rossii v XX veke: upravljaemost’, upravljaemost’, adaptivnost’ i strategii preodolenija. Rossijsko-nemeckaja naučnaja konferencija (Stavropol’, 16-18 ijunja 2011 g.). Sbornik rabočich materialov, Stavropol’ – Frajburg 2011, S. 47-52.
- Zus. mit Zyb, Anna/Ritter, Laura/Kalisch, Julia: Das Museum der Schlacht bei Poltawa, in: Kliewer, Romea/Hausmann, Guido (Hg.): „Wie ein Schwede bei Poltawa …“. Die Erinnerung an die Schlacht bei Poltawa 1709 und ihre Bedeutung für die Identitätssuche der Ukraine in Europa. Ein deutsch-ukrainisches Studienprojekt, Felsberg 2010, S. 65-68.
- Übersetzung aus dem Russischen: Gritschenko, Gelinada: Was ist Oral History?, in: Kliewer, Romea/Hausmann, Guido (Hg.): „Wie ein Schwede bei Poltawa …“. Die Erinnerung an die Schlacht bei Poltawa 1709 und ihre Bedeutung für die Identitätssuche der Ukraine in Europa. Ein deutsch-ukrainisches Studienprojekt, Felsberg 2010, S. 72-74.
- Zus. mit Martens, Maria: Im Gespräch mit 15 Poltawaern, in: Kliewer, Romea/Hausmann, Guido (Hg.): „Wie ein Schwede bei Poltawa …“. Die Erinnerung an die Schlacht bei Poltawa 1709 und ihre Bedeutung für die Identitätssuche der Ukraine in Europa. Ein deutsch-ukrainisches Studienprojekt, Felsberg 2010, S. 75-78.
- 2000 Jahre Varus und 300 Jahre Poltawa. Gedächtniskultur in Deutschland und der Ukraine, in: Kliewer, Romea/Hausmann, Guido (Hg.): „Wie ein Schwede bei Poltawa …“. Die Erinnerung an die Schlacht bei Poltawa 1709 und ihre Bedeutung für die Identitätssuche der Ukraine in Europa. Ein deutsch-ukrainisches Studienprojekt, Felsberg 2010, S. 107-110.
- Die Schlacht bei Poltawa als Beginn einer schwedisch-ukrainischen Union?, in: Kliewer, Romea/Hausmann, Guido (Hg.): „Wie ein Schwede bei Poltawa …“. Die Erinnerung an die Schlacht bei Poltawa 1709 und ihre Bedeutung für die Identitätssuche der Ukraine in Europa. Ein deutsch-ukrainisches Studienprojekt, Felsberg 2010, S. 125-126.